Lieben Sie Ihren Hund? Die meisten Hundemenschen werden diese Fragen wohl mit „Ja“ beantworten. Und weil Ihnen wichtig ist, dass es ihm gut geht, haben Sie sich sicher auch mit den Bedürfnissen Ihres Hundes auseinander gesetzt. Was braucht er, um ein zufriedenes Hundeleben zu führen? Neben der Erfüllung körperlicher Grundbedürfnisse, Interaktion mit Sozialpartnern, geistiger Beschäftigung, zählt auch ‚Sicherheit’ zu den Bedürfnissen des Hundes. Sicherheit – das heißt: physische und psychische Unversehrtheit und verlässliche Bezugspersonen.
Nun gibt es viele Situationen in denen wir als verantwortliche Menschen in einer Zwickmühle sind. In denen wir Dinge tun müssen, die den Bedürfnissen des Hundes zuwider laufen. Zum Beispiel ihn in potentiell gefährlichen Situationen mit der Leine sichern, Tierarztbesuche, regelmäßige Körperpflege, wie Bürsten und Krallen schneiden. Wir Menschen haben die Fähigkeit zur Voraussicht und wissen deshalb, dass diese Maßnahmen erforderlich sind. Der Hund erst mal nicht. Er wird diese Situationen auf seine Art erleben. Sie beinhalten tendenziell unangenehme Dinge für ihn. Wer lässt sich schon gerne in seiner Bewegungsfreiheit einschränken, sich von Dingen, die einem im Blut liegen abhalten, piksen, ziepen oder von Fremden anfassen wo er doch gar nicht versteht, weshalb das mit ihm geschieht?
Und darüber hinaus gibt es noch die Situationen, in denen der Mensch in punkto Sicherheit völlig konträr zum Empfinden des Hundes handelt, z.B. wenn er angeleint gezwungen wird, nahe an einem Artgenossen oder etwas anderem vorbei zu gehen, das auf ihn bedrohlich wirkt. Könnte er wie er wollte, würde er großräumig ausweichen. Oder wenn wir von einem sich sträubenden Hund verlangen, Aufzug zu fahren oder über eine glatten, „durchsichtigen“, oder schwankenden Untergrund zu laufen. Beispiele gibt es hier viele.
Das alles sind Dinge, die im Laufe eines Hundeleben mehr oder weniger häufig vorkommen. Wenn wir diese für den Hund unnatürlichen Situationen aber immer wieder und „einfach so“ aufgrund der körperlichen und geistigen Überlegenheit des Menschen durchsetzen und nicht vorab mit dem Hund trainieren, bedeuten sie jedes Mal eine unangenehme Erfahrung für ihn. Plus einen Vertrauensverlust zur Bezugsperson, da unser Verhalten aus seiner Sicht nicht nachvollziehbar ist. Dazu erlebt Hund wahrscheinlich ein Gefühl der Hilflosigkeit, weil er der Situation nicht entrinnen kann. Auch wenn mancher Hund die Situation irgendwann hinnimmt, heißt das nicht unbedingt, dass es ihm gut damit geht. Psychisches Wohlbefinden ist für jedes Lebewesens ebenso wichtig, wie das körperliche. Wir sollten uns deshalb genau überlegen, ob und wie häufig wir in Kauf nehmen wollen, dass sich der Hund einer unangenehmen Situation ausgeliefert fühlt.
Die Sache mit den Emotionen.
Es steht nach heutigem wissenschaftlichen Stand außer Frage, dass Hunde – wie auch Menschen – Emotionen haben. Sie empfinden Angst, Trauer, Aggression oder Wut, Suche nach Erfolgserlebnissen, Spielfreude, Lust und Fürsorge – wie wir auch. (Jaak Panksepp) Emotionen sind Motor für Verhalten. Emotionen beeinflussen Beziehungen. Welche Emotionen beim Hund ausgelöst werden, wird durch viele Faktoren bestimmt, die teilweise ausserhalb unserer Wahrnehmung, Vorstellungskraft und unseres Einflussbereiches liegen. Überwiegen im Leben immer wieder negative Emotionen, finden zu wenig positive Erfahrungen statt, hat das zwangsläufig Auswirkungen auf das Wohlergehen und Verhalten eines Lebewesens. Wir können die Emotionen des Hundes jedoch an seiner Körpersprache ablesen und durch unser Verhalten und positives Training in eine gute Richtung beeinflussen. Und wir können diese unangenehmen, aber erforderlichen Situationen so gestalten, dass es dem Hund leichter möglich ist, sie zu bewältigen. Dass er möglichst wenig Frust, Unsicherheit oder sogar Angst erlebt. Dass er die genannten Dinge vielleicht sogar irgendwann gerne tut.
Nehmen wir das Beispiel Körperpflege. Bürsten oder Krallen schneiden, ist so ein Thema, das einige Hunde nicht gerne mögen. Und der Mensch somit häufig auch nicht. Zwingt man den Hund durch die Situation, um „es möglichst schnell hinter sich zu haben“, kann das unangenehmen Konsequenzen haben. Der Hund wird Körperpflege zukünftig noch weniger mögen und für den Menschen kann diese wenig bedürfnisorientierte Vorgehensweise sehr schmerzhaft enden. (wie man bei bekannten, aber immer wieder die Körpersprache des Hundes ignorierenden Hundeflüsterern sogar schon im Fernsehen erleben konnte). Nun haben wir Menschen einen Verstand und deshalb immer mehr als eine Möglichkeiten, mit den Dingen umzugehen. Unser Verhalten hat großen Einfluss darauf, wie sich diese Situation zukünftig für Mensch und Hund gestaltet. Es wird für die Zukunft einen Unterschied machen, ob wir respektvoll mit dem Hund umgehen und ihn langsam an diese für ihn unangenehme Situation gewöhnen, oder ob wir mit einer „da muss er durch“-Mentalität an die Sache herangehen.
Wir sind der Mittelpunkt seiner Welt. Wir können beeinflussen, ob Hund solche Situationen des Alltags positiv erlebt, oder ob wir ihn immer wieder in negative Erfahrungen hineinzwingen. Wir Menschen können die Voraussetzung schaffen, damit der Hund sie gut zu meistern lernt, indem wir
– uns von dem Gedanken verabschieden, dass der Hund „stur“, „bockig“ oder „dominant“ ist. Alles was er tut, resultiert aus seinen Emotionen und seinem natürlichen, daraus resultierendem Verhalten.
– eine wohlwollende, freundliche innere Haltung im Umgang mit ihm einnehmen
– die Hundesprache lesen lernen, damit wir an den Körpersignalen und Stressanzeichen des Hundes erkennen, wenn es ihm nicht gut geht
– uns das Wissen aneignen, wie man Hunde positiv, mit Hilfe von Markersignalen trainiert
– entsprechend kleinschrittig im Training vorgehen und es so gestalten, dass der Hund Erfolg haben wird
– unsere Aufmerksamkeit auf Gelingen, nicht auf Scheitern legen
– unserer kognitiven Fähigkeiten nutzen, um unvermeidbare Situationen angenehmer für den Hund zu gestalten.
Das klingt erst mal viel. Und kostet Zeit. Am Anfang. Langfristig werden wir mit einem fröhlichen, aufgeschlossenen, selbstsicheren Hund belohnt, der uns vertraut und gerne mit uns kooperiert. Und wenn der Hund die verschiedenen Situationen, erst einmal positiv verknüpft hat, holt man die investierte Zeit im Laufe des Hundelebens locker wieder herein. An-der Leine-gehen macht vielleicht plötzlich Spass und wird vom Hund nicht mehr als Einschränkung empfunden. Das Bürsten wird für Mensch und Hund zu einem entspannten, sozialen Erlebnis. Alle Beteiligten profitieren. Wenn man einmal darüber nachdenkt, gibt es dann wirklich noch für eine Grund dafür zu sagen: „da muss er durch“?